Der erste offizielle Tag der Fanpage zu Das Lächeln des Falken geht zu Ende. Ich
bedanke mich bei allen, die dem Lächeln des Falken ein Like gegeben und bei der
Buchverlosung mitgespielt haben. Natürlich freue ich mich, wenn im Laufe der
Woche noch viele Like dazukommen würden.
Als kleines Dankeschön gibt es als literarisches
Betthupferle das erste Textspickerle aus Band 1 Pfade der Hoffnung. Ich wünsche
euch viel Spaß beim Lesen.
Aus dem Buch:
In meinem
Dämmerschlummer spürte ich ein Kitzeln. Etwas berührte meine Wange, immer
wieder und immer an der gleichen Stelle. Mein Unterbewusstsein hielt es eine
Fliege. Schließlich befand ich mich in einem Pferdestall, und in Ställen gab es
jede Menge Fliegen. Ich wischte an meinem Kinnbogen entlang, um das lästige
Insekt zu verscheuchen. Dass ich nach Wochen ohne Waschgelegenheit nicht
unbedingt nach Maiglöckchen duftete, war mir klar, aber dass ich bereits
dermaßen erbärmlich stank, dass ich Fliegen wie ein Kuhfladen anzog, war keine
angenehme Vorstellung. In einer schnellen Handbewegung schlug ich im Halbschlaf
zu und hatte etwas zwischen den Fingern, das sich nicht wie eine zappelnde
Fliege anfühlte, sondern …
Es war ein
Strohhalm. Ich hielt den Halm fest und hörte ein leises, jungenhaftes Kichern.
Schlagartig war ich
glockenwach. Ich riss die Augen auf; mein Kopf wirbelte herum. Neben mir hockte
ein Junge und grinste mich mit dem breitesten Lächeln an, das ich seit einem
halben Jahr gesehen hatte.
»Du lebst ja«,
sagte er auf Englisch. Jetzt reichte sein Grinsen von einem Ohrläppchen zum
anderen.
Ich starrte den
Burschen ungläubig an, wobei ich mich bei der Frage ertappte, worüber ich mehr
staunte. Über die Tatsache, dass er es klammheimlich an meine Seite geschafft
hatte oder darüber, dass er nahezu akzentfrei Englisch sprach. Weder das eine
noch das andere trug zu meiner Beruhigung bei.
»Natürlich lebe
ich, oder sehe ich wie eine Katze aus, die sich zum Sterben zurückgezogen hat«,
entgegnete ich gereizt.
»Nein, aber was
machst du hier?«, fragte er mit ehrlicher Neugier.
Ich musterte ihn,
während ich mir überlegte, welche Antwort am glaubwürdigsten klang. Er war
zwölf oder dreizehn Jahre alt und soweit ich es in dem schummerigen Licht
erkennen konnte, hatte er rotblondes, struppiges Haar und war kein bisschen
sauberer als ich selbst. Ich entschloss mich zu einem forschen Gegenangriff.
»Dieselbe Frage könnte ich dir auch stellen. Du siehst nicht gerade wie ein
Einheimischer aus. Also? Gehört ein Knabe deines Alters um diese Zeit nicht
schon längst auf sein Schiff?«
Er grinste zwar
weiterhin, aber nicht mehr so offen, und schüttelte verneinend den Kopf.
»Bist du etwa
abgehauen?«, hakte ich nach.
Der
Junge nickte verhalten. »Genau wie du.«
Der Kleine verblüffte
mich immer mehr. »Wie … Wie kommst du denn auf die Idee?«
»Ganz einfach,
richtige Damen verstecken sich für gewöhnlich nicht auf dem Heuboden eines
Pferdeverleihers und schon gar nicht auf spanischen Inseln«, gab er im tiefsten
Brustton der Überzeugung zurück. Er musterte mich noch einmal. »Und deren
Gewänder sind, verzeih mir bitte, in aller Regel wesentlich sauberer.«
So viel stand schon
mal fest; der Kleine war nicht auf den Mund gefallen.
»Ach ja?!«,
murmelte ich, weil mir auf die Schnelle nichts Intelligenteres einfiel.
»Aye, Ma’am.«
»Na schön. Und
weiter?«
Der Junge zuckte
die Achseln, zupfte ein paar Strohhalme aus dem Haufen, auf dem er saß, und begann
sie spielerisch um seine Finger zu wickeln. Er sah mich aus leuchtenden Augen
an, dann streckte er mir die Hand entgegen.
»Ich heiße Gavain
Fothergill, aber, weil ich für mein Alter noch ziemlich schmächtig bin, nennen
mich alle Little Fothergill. Und wie heißt du?«
Ich zögerte, denn
ich war weiterhin misstrauisch, auch wenn mir der Bursche nicht unbedingt
gefährlich erschien. »Sag einfach Mary zu mir«, gab ich zurück und reichte ihm
ebenfalls die Hand.
Er grinste erneut,
diesmal sah es lausbübisch aus. »Na schön, Mary, aber ich glaube
trotzdem, du bist die, die sie suchen.«
Ich fühlte, wie bei
seinen Worten sämtliche Kraft aus meinen Gliedern wich und mein Mund vor
Unbehagen trocken wurde. »Die, die sie suchen?«, wiederholte ich, um Zeit zu
schinden.
»Aye Ma’am«.
Die Antwort des
Jungen hätte kaum wortkarger ausfallen können, aber wenigstens gewann ich meine
Fassung zurück. »Was macht dich da so sicher?«, fragte ich im Flüsterton.
»Weil sie deine
Beschreibung an alle britischen Schiffe weitergeben haben. Sie suchen eine
gewisse Gwenyth Mary McDonnell. Jung, blond, hübsch.«
Ich sah an mir
hinunter. Auch wenn die Lichtverhältnisse, hier oben, auf dem Boden schlecht
waren und vieles beschönigten, konnte ich mir das Attribut hübsch im
Bezug auf mein gegenwärtiges Äußeres kaum vorstellen, aber es schmeichelte.
»Hübsch. Das steht doch nicht wirklich in der Beschreibung?«
Der Kleine fiel auf
den Rücken und lachte so herzhaft, dass ich einfach einstimmen musste.
»Nein, das habe ich
dazugedichtet.« Er wurde wieder ernst. »Sag schon, bist du die Frau?«, wollte
er wissen.
»Und wenn es so
wäre, würdest du dann zu deinem Captain laufen und mich verraten?«
Er schüttelte den
Kopf. »Nein, Ma’am. Ein wahrer Gentleman würde nie das Leben einer Frau in
Gefahr bringen. Und außerdem …« Der Junge wurde still.
»Und außerdem was?«
»Außerdem gehe ich
niemals wieder auf mein Schiff zurück«, sagte er leise, aber mit einer
Festigkeit in der Stimme, die keinen Zweifel an seiner Entschlossenheit
aufkommen ließ. »Mein Captain ist ein schlechter Mensch. Ich will mir nicht
ausmalen, was er mit mir anstellt, wenn ich ihm noch einmal in die Hände
fiele.«
»Was willst du dann
tun?« Dass er noch ein halbes Kind war, verkniff ich mir anzufügen.
Little Fothergills
Gesicht hellte sich auf. »Ich heuere einfach auf einem anderen Schiff an.«
»Und du glaubst, das
ist so leicht?«, fragte ich und war geneigt, den Jungen ernsthaft zu beneiden,
denn anscheinend besaß er nicht nur ein unerschütterliches Vertrauen in die
Zukunft, sondern er hatte, im Gegensatz zu mir, auch einen Plan.
Er nickte. »Aye,
Ma’am. Ich bin zwar nicht besonders kräftig, aber ich bin schmal und flink
genug, um mich auf und zwischen den Kanonen zu bewegen. Als Pulveräffchen
würden sie mich allemal nehmen.«
Nach dieser Aussage
beneidete ich ihn nicht mehr. «Pulverjungen leben ziemlich gefährlich«, gab ich
zu bedenken.
»Ja, ich weiß, im
Gefecht sterben die immer zuerst, weil sie nicht nur zwischen den Kanonen
rumturnen, sondern auch für den Munitionsnachschub sorgen müssen.« Er schnitt
eine abwägende Grimasse. »Deshalb wäre mir ein Handelsschiff auch wesentlich lieber.«
»Mir auch«,
murmelte ich. Der Gedanke an Kriegsschiffe machte mir plötzlich wieder meine
eigene Situation schonungslos bewusst. »Wenn du dir ein Schiff im Hafen
aussuchen könntest, für welches würdest du dich entscheiden?«, fragte ich.
Die Antwort kam wie
aus der Pistole geschossen. »Die Rapace.«
»Rapace?
Klingt französisch.«
»Natürlich. Sie
kommt ja auch aus Frankreich. Das erkennt man an der weißen Flagge am Heck, dem
drapeau blanc.«
»Na, du kennst dich
aus.«
Little Fothergill
straffte den Oberkörper. »Aye, Ma’am. Meine mangelnde Körpergröße ändert nichts
an der Tatsache, dass ich ein Matrose bin.«
»Das hätte ich fast
vergessen, entschuldige bitte.«
Little Fothergill
rutschte näher an mich heran und drückte sein Gesicht an den zwei fingerbreiten
Spalt zwischen den zusammengenagelten Holzbrettern, die als Klappladen für die
Ladeluke dienten.
»Du kannst die Rapace
sogar von hier aus sehen. Es ist der dunkle Dreimaster, der ziemlich weit vorne
am Kai liegt.« Er machte mir Platz, damit ich hinaussehen konnte.
Ich starrte zum
Hafen hinüber. Entlang der Befestigungsanlage brannten zahlreiche Fackeln und
tauchten die Schiffe in gespenstisch flackerndes Licht. An der Kaimauer lagen
mehrere Dreimaster vertäut. Und da ich keine Ahnung hatte, welches Schiff der
Bursche meinte, entschied ich mich kurzer Hand für das auffälligste. »Meinst du
etwa das, mit dem Falken als Galionsfigur?«
»Ja, daher auch der
Name des Schiffes. Rapace ist das französische Wort für Raubvogel.«
»Du sprichst
französisch?«
Little Fothergill winkte
ab. »Nur ein paar Wörter.«
»Und warum willst
du dann unbedingt auf dieses Schiff?«
»Weil es ein
schönes Schiff ist und …«, er brach ab.
Ich sah ihn
erwartungsvoll an.
»Du sagst es keinem
weiter, und du lachst mich auch nicht aus.«
Ich schüttelte den
Kopf. »Nein.«
»Versprochen?«
»Verspochen.«
»Nachdem ich
abgehauen bin, bin ich zur Rapace gelaufen, um sie aus der Nähe
anzuschauen. Sie ist wunderschön. Fast so schön wie eine Frau. Und was macht
ein höflicher Junge, wenn er eine Lady trifft, er verbeugt sich, und lächelt
zum Gruß«, er wurde ernst. »Ich schwöre es beim Leben meiner Mutter, der Falke
hat zurückgelächelt.«
Ich musste mir alle
Mühe geben, keine Miene zu verziehen, denn ich konnte mir beim besten Willen
nicht vorstellen, wie ein lächelnder Falke aussah.
»Ich verstehe. Das
Lächeln des Falken …«, nun platzte es ich doch aus mir heraus, »Little
Fothergill, das ist ausgemachter Blödsinn. Vögel können nicht lächeln und eine
Holzfigur schon gar nicht.«
»Du glaubst, ich habe mir das alles nur ausgedacht!« Little Fothergill
klang enttäuscht...