Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen und angenehme Träume.
Auszug aus dem
Buch:
Tosender Beifall
brandete durch den Raum, als O’Maley sein Musikstück beendet hatte. Er legte
die Geige beiseite und setzte sich wieder zu uns an den Tisch.
»Fiedeln macht
hungrig«, bemerkte er beiläufig, gab der Wirtin das Musikinstrument zurück und
bestellte eine große Portion Hammeleintopf.
»Unsere reizende
Begleitung heißt übrigens Eleonore Perth«, stellte mich Ferrier vor.
»Perth? Wie die
Stadt in Schottland?«, fragte O’Maley.
»Ihr habt es
erfasst«, entgegnete ich knapp. »Und Ihr
seid Ire, Mr O’Maley?«
»Ja, Miss Perth,
ich bin in Dublin geboren.«
»Mrs Perth, bitte.«
Ferrier musterte
mich noch skeptischer als zuvor. »Ihr seid verheiratet?«
Ich ärgerte mich
einmal mehr über mich selbst, denn mit jedem weiteren Satz manövrierte ich mich
ein bisschen tiefer in eine Ausweglosigkeit, aus der ich nicht mehr herauskam.
»Ist das
Verheiratetsein in Eurem Land so
ungewöhnlich, Monsieur Ferrier?«, fragte ich spitz.
Ferrier schüttelte
den Kopf. »Aber Ihr seid noch so … jung.«
»Ich denke, ich bin
alt genug. Und obwohl es Euch nichts angeht: Ich bin mit Mr Jonathan Perth
verheiratet.« Ich fühlte den derben Leinenstoff meines Kleides zwischen meinen
Finger und sagte: »Mr Perth ist Tuchhändler. Für Leinen.«
Ferrier wirkte
immer noch nicht überzeugt, O’Maley hingegen schmunzelte, offenbar amüsierte
ihn der Verlauf der Unterhaltung.
»Und wo befindet
sich Euer Gemahl der Zeit?«, hakte Ferrier nach.
Hätte ich einen
Wunsch freigehabt, hätte dieser Ferriers unerschöpflich sprudelnden Fragenquell
zum sofortigen Versiegen gebracht.
Ich räusperte mich.
»Er … Er ist geschäftlich in Massachusetts unterwegs.«
»Das ist weit
entfernt von dieser Inselgruppe.«
»Ich reise allein, weil mich mein Gemahl leider
nicht begleiten konnte.«
Unser
Frage-und-Antwort-Spiel wurde unterbrochen, da die Wirtin den bestellten
Hammeleintopf und mehrere Löffel brachte. Teller schien es in dieser Schenke
nicht zu geben. Ich starrte auf die dampfende Schüssel, der ein intensiver
Geruch nach Schafsbock entstieg. Unter normalen Umständen hätte mir vor dem
matschigen Inhalt gegraut, aber das hier waren keine normalen Umstände, und so
lief mir allein bei dem Gedanken an eine anständige Portion Eintopf mit Fleisch
das Wasser im Mund zusammen.
Ferrier reichte mir
einen Löffel weiter.
»Danke, Monsieur
Ferrier«, sagte ich höflich und begann gierig den ersten Löffel in mich
hineinzustopfen. Das Zeug schmeckte besser als es aussah und roch.
»Allem Anschein
nach reist Ihr nicht nur allein, sondern
seid auch außerordentlich hungrig«, bemerkte Ferrier trocken.
»Die Mahlzeiten auf
dem Schiff, mit dem ich hierhergekommen bin, waren nicht gerade ein
Hochgenuss.«
»Welches Schiff hat
Euch nach Santa Cruz gebracht, Madame Perth?«
Ich bewegte mich
auf extrem dünnem Eis, denn Ferrier blieb leider skeptisch. Schnell schob ich
mir einen weiteren Löffel Eintopf in dem Mund, um Zeit für eine passende
Antwort zu gewinnen.
Little Fothergill
schmuggelte sich unvermittelt in mein Gedächtnis. Hastig schluckte ich den
Bissen hinunter und fragte: »Kennt Ihr
die Alliance, Sir?«
»Nein«, antwortete
Ferrier.
»Sie gehört der East
India Trading und auf ihr habe ich eine Passage nach England gebucht. Und
um Eure Neugier endgültig zu befriedigen,
Monsieur Ferrier, es sind familiäre Angelegenheiten, die mich in meine alte
Heimat, Schottland, zwingen.«
Ferrier schwieg,
dafür weckte mein letzter Satz O’Maleys Neugier. »Ihr kommt aus Schottland, Ma’am?«
»Ja, ursprünglich
komme ich aus
Kilchoman. Das liegt auf der Insel Islay in Nordwest-Schottland.«
»Ursprünglich?«,
O’Maley nippte an seinem Wein. »Demzufolge lebt Ihr nicht mehr dort?«
Ich schüttelte den
Kopf und setzte ein möglichst unbeteiligtes Gesicht auf. »Nein, vor einiger Zeit
hat es mich und meinen Gemahl nach Quebec verschlagen.«
Das Lügen machte
mir zwar keinen Spaß, trotzdem kamen jetzt die Worte erstaunlich leicht über
meine Lippen.
»Was treibt einen
Tuchhändler bloß in eine gottverlassene Gegend, in der es kaum Menschen gibt?«,
fragte Ferrier.
»Ihr kennt diese
Provinz?«
»Nein, und
eigentlich möchte ich sie auch nicht kennenlernen. Niemand mit halbwegs klarem Verstand emigriert freiwillig in die einsamste
und ärmste Kolonie, die die Französische Krone zu bieten hat, außer …« Ferrier
brach ab. Seine forschenden Augen durchbohrten mich wie ein Speer.
»Außer?«
Ferrier lächelte verklärt. »Parlez-vous française, Madame Perth?«
Mein Französisch ließ sich als
schlecht bezeichnen, aber diesen Satz
verstand ich. »Naturellement, Monsieur!«, antwortete ich daher
selbstbewusst.
»Y a-t-il
beaucoups des cerfes dans des bois à Quebec?«
Nein, dieser Schuft
hatte nicht verklärt gelächelt, sondern hinterhältig gegrinst. Das wurde mir
jetzt schlagartig klar, denn ich hatte nicht die leiseste Vorstellung, was den
Inhalt seiner letzten Frage betraf. Von dem Angebot einer weiteren Portion
Eintopf, bis hin zu einem anstößigen Antrag war alles drin. Dieser Mistkerl spielte mit mir, und anscheinend bereitete es
ihm obendrein sichtliches Vergnügen.
»Wie bitte?«,
fragte ich.
»Ich denke, Ihr habt mich sehr wohl verstanden, Madame.« Er
lächelte immer noch.
Also doch ein
unsittlicher Antrag. »Und aus eben diesem Grund möchte ich Eure Frage unbeantwortet lassen«, entgegnete
ich schroff.
»Warum so kratzbürstig?«
»Weil ich mit
Sicherheit nicht die bin, für die Ihr
mich haltet.«
»Da stimme ich Euch unumwunden zu.« Nun lächelte er
überlegen. Er beugte seinen Kopf soweit zu mir herüber, dass ich den Wein in
seinem warmen Atem roch. »Und ich sage Euch noch etwas, Ihr könnt mir keine Antwort geben, weil Ihr mich nicht verstanden habt. Verehrte Eleonore Perth, ich habe
Euch nicht nach der Möglichkeit eines Beischlafs gefragt – und das habt Ihr Eurer abweisenden Reaktion nach doch
vermutet. Nein, meine Liebe, ich wollte lediglich wissen, ob es in den Wäldern
Quebecs viele Hirsche gibt. Meiner Meinung nach, eine einfach zu beantwortende
Frage für jemanden, der seit Jahren dort lebt.«
Treffer
und versenkt.