Montag, 28. April 2014

2. Literarisches Betthupferle der Eröffnungswoche der Facebook-Fanpage

Tag 2 der Fanpage-Eröffnungswoche ist nun vorbei. Zu meiner großen Freude sind auch heute wieder einige Fans dazugekommen und das Lächeln des Falken hat neue Freunde gefunden. An dieser Stelle möchte ich mich bei allen „Neuankömmlingen“ bedanken und zwar mit dem nächsten literarischen Betthupferle.

Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen und angenehme Träume.



Auszug aus dem Buch:


Tosender Beifall brandete durch den Raum, als O’Maley sein Musikstück beendet hatte. Er legte die Geige beiseite und setzte sich wieder zu uns an den Tisch.
»Fiedeln macht hungrig«, bemerkte er beiläufig, gab der Wirtin das Musikinstrument zurück und bestellte eine große Portion Hammeleintopf.
»Unsere reizende Begleitung heißt übrigens Eleonore Perth«, stellte mich Ferrier vor.
»Perth? Wie die Stadt in Schottland?«, fragte O’Maley.
»Ihr habt es erfasst«, entgegnete ich knapp. »Und Ihr seid Ire, Mr O’Maley?«
»Ja, Miss Perth, ich bin in Dublin geboren.«
»Mrs Perth, bitte.«
Ferrier musterte mich noch skeptischer als zuvor. »Ihr seid verheiratet?«
Ich ärgerte mich einmal mehr über mich selbst, denn mit jedem weiteren Satz manövrierte ich mich ein bisschen tiefer in eine Ausweglosigkeit, aus der ich nicht mehr herauskam.
»Ist das Verheiratetsein in Eurem Land so ungewöhnlich, Monsieur Ferrier?«, fragte ich spitz.
Ferrier schüttelte den Kopf. »Aber Ihr seid noch so … jung.«
»Ich denke, ich bin alt genug. Und obwohl es Euch nichts angeht: Ich bin mit Mr Jonathan Perth verheiratet.« Ich fühlte den derben Leinenstoff meines Kleides zwischen meinen Finger und sagte: »Mr Perth ist Tuchhändler. Für Leinen.«
Ferrier wirkte immer noch nicht überzeugt, O’Maley hingegen schmunzelte, offenbar amüsierte ihn der Verlauf der Unterhaltung.
»Und wo befindet sich Euer Gemahl der Zeit?«, hakte Ferrier nach.
Hätte ich einen Wunsch freigehabt, hätte dieser Ferriers unerschöpflich sprudelnden Fragenquell zum sofortigen Versiegen gebracht.
Ich räusperte mich. »Er … Er ist geschäftlich in Massachusetts unterwegs.«
»Das ist weit entfernt von dieser Inselgruppe.«
»Ich reise allein, weil mich mein Gemahl leider nicht begleiten konnte.«
Unser Frage-und-Antwort-Spiel wurde unterbrochen, da die Wirtin den bestellten Hammeleintopf und mehrere Löffel brachte. Teller schien es in dieser Schenke nicht zu geben. Ich starrte auf die dampfende Schüssel, der ein intensiver Geruch nach Schafsbock entstieg. Unter normalen Umständen hätte mir vor dem matschigen Inhalt gegraut, aber das hier waren keine normalen Umstände, und so lief mir allein bei dem Gedanken an eine anständige Portion Eintopf mit Fleisch das Wasser im Mund zusammen.
Ferrier reichte mir einen Löffel weiter.
»Danke, Monsieur Ferrier«, sagte ich höflich und begann gierig den ersten Löffel in mich hineinzustopfen. Das Zeug schmeckte besser als es aussah und roch.
»Allem Anschein nach reist Ihr nicht nur allein, sondern seid auch außerordentlich hungrig«, bemerkte Ferrier trocken.
»Die Mahlzeiten auf dem Schiff, mit dem ich hierhergekommen bin, waren nicht gerade ein Hochgenuss.«
»Welches Schiff hat Euch nach Santa Cruz gebracht, Madame Perth?«
Ich bewegte mich auf extrem dünnem Eis, denn Ferrier blieb leider skeptisch. Schnell schob ich mir einen weiteren Löffel Eintopf in dem Mund, um Zeit für eine passende Antwort zu gewinnen.
Little Fothergill schmuggelte sich unvermittelt in mein Gedächtnis. Hastig schluckte ich den Bissen hinunter und fragte: »Kennt Ihr die Alliance, Sir?«
»Nein«, antwortete Ferrier.
»Sie gehört der East India Trading und auf ihr habe ich eine Passage nach England gebucht. Und um Eure Neugier endgültig zu befriedigen, Monsieur Ferrier, es sind familiäre Angelegenheiten, die mich in meine alte Heimat, Schottland, zwingen.«
Ferrier schwieg, dafür weckte mein letzter Satz O’Maleys Neugier. »Ihr kommt aus Schottland, Ma’am?«
»Ja, ursprünglich komme ich aus Kilchoman. Das liegt auf der Insel Islay in Nordwest-Schottland.«
»Ursprünglich?«, O’Maley nippte an seinem Wein. »Demzufolge lebt Ihr nicht mehr dort?«
Ich schüttelte den Kopf und setzte ein möglichst unbeteiligtes Gesicht auf. »Nein, vor einiger Zeit hat es mich und meinen Gemahl nach Quebec verschlagen.«
Das Lügen machte mir zwar keinen Spaß, trotzdem kamen jetzt die Worte erstaunlich leicht über meine Lippen.
»Was treibt einen Tuchhändler bloß in eine gottverlassene Gegend, in der es kaum Menschen gibt?«, fragte Ferrier.
»Ihr kennt diese Provinz?«
»Nein, und eigentlich möchte ich sie auch nicht kennenlernen. Niemand mit halbwegs klarem Verstand emigriert freiwillig in die einsamste und ärmste Kolonie, die die Französische Krone zu bieten hat, außer …« Ferrier brach ab. Seine forschenden Augen durchbohrten mich wie ein Speer.
»Außer?«
Ferrier lächelte verklärt. »Parlez-vous française, Madame Perth?«
Mein Französisch ließ sich als schlecht bezeichnen, aber diesen Satz verstand ich. »Naturellement, Monsieur!«, antwortete ich daher selbstbewusst.
»Y a-t-il beaucoups des cerfes dans des bois à Quebec?«
Nein, dieser Schuft hatte nicht verklärt gelächelt, sondern hinterhältig gegrinst. Das wurde mir jetzt schlagartig klar, denn ich hatte nicht die leiseste Vorstellung, was den Inhalt seiner letzten Frage betraf. Von dem Angebot einer weiteren Portion Eintopf, bis hin zu einem anstößigen Antrag war alles drin. Dieser Mistkerl spielte mit mir, und anscheinend bereitete es ihm obendrein sichtliches Vergnügen.
»Wie bitte?«, fragte ich.
»Ich denke, Ihr habt mich sehr wohl verstanden, Madame.« Er lächelte immer noch.
Also doch ein unsittlicher Antrag. »Und aus eben diesem Grund möchte ich Eure Frage unbeantwortet lassen«, entgegnete ich schroff.
»Warum so kratzbürstig?«
»Weil ich mit Sicherheit nicht die bin, für die Ihr mich haltet.«
»Da stimme ich Euch unumwunden zu.« Nun lächelte er überlegen. Er beugte seinen Kopf soweit zu mir herüber, dass ich den Wein in seinem warmen Atem roch. »Und ich sage Euch noch etwas, Ihr könnt mir keine Antwort geben, weil Ihr mich nicht verstanden habt. Verehrte Eleonore Perth, ich habe Euch nicht nach der Möglichkeit eines Beischlafs gefragt – und das habt Ihr Eurer abweisenden Reaktion nach doch vermutet. Nein, meine Liebe, ich wollte lediglich wissen, ob es in den Wäldern Quebecs viele Hirsche gibt. Meiner Meinung nach, eine einfach zu beantwortende Frage für jemanden, der seit Jahren dort lebt.«
Treffer und versenkt.