Nachdem gestern das dritte literarische Betthupferle zur Fanpage- Eröffnung nicht erschienen ist, wird das nun umgehend nachgereicht. Es ist zwar erst Nachmittag, aber bestimmt habt ihr trotzdem Spaß daran.
Auszug aus dem Buch:
Ferrier behielt
recht. Unten an der Leiter empfing uns tatsächlich eine kleine Herde Schafe.
Allmählich hatten sich auch meine Augen an die nächtlichen Lichtverhältnisse im
Hinterhof gewöhnt. Ich erkannte die vagen Umrisse der umliegenden Gebäude, die
Tiere, die mich umringten, und meinen französischen Retter, der in diesem
Moment in einem geschmeidigen Sprung über den Holzzaun des Schafgatters
hinwegsetzte.
Ich drückte die
wolligen Leiber beiseite, um ihm zu folgen. Mit jedem Schritt, den ich machte,
wurden die Viecher aufdringlicher. Vom Duft der Trockenfrüchte in meinem Beutel
angelockt, zogen und zupften die Biester fordernd an meinem Rock. Ein besonders
dreistes Exemplar, stellte sich neben mir auf die Hinterbeine und biss in
meinen Ärmel.
Als ich endlich vor
der hüfthohen Umzäunung stand, streckte mir Ferrier seine Arme entgegen.
»Wartet, ich helfe
Euch«, sagte er. Im nächsten Moment spürte ich, wie mich zwei starke Hände
unter den Achseln packten und über das Hindernis hoben.
»Danke«, entgegnete
ich. Der Lärm aus dem Schankraum wurde wieder lauter, dort herrschte weiterhin
Aufruhr. Eine flüchtige Bewegung am oberen Ende der Leiter, ließ mich
aufschauen.
»Ich glaube, da
oben ist jemand«, bemerkte ich im Flüsterton.
Ich sah noch einmal
hinauf, doch ich musste mich getäuscht haben, das Ende der Leiter lag einsam im
Dunkeln.
»Lasst uns verschwinden«, empfahl Ferrier.
Ich nickte dankbar.
Meine Augenlider hatten mittlerweile die Schwere von Bleigewichten, meine Schuhe
drückten, meine Fußsohlen brannten wie Feuer, und mein Rücken schmerzte, als
hätte ich tagelang Brennholz geschleppt. In diesem Moment sehnte ich mich nach
genau drei Dingen: einer Decke, einem dicken Daunenkissen und einer weichen
Matratze.
Die Gasse vor uns
führte direkt zum Hafen hinunter und war ähnlich finster wie der Hinterhof.
Hier und da drang gedämpftes Licht aus einem Fenster und erhellte ein schmales
Stück des Pflasters. Ich nahm alle in mir verbliebenen Kräfte zusammen und
rannte auf Ferriers Geheiß los, schließlich wollten wir so schnell wie möglich
sein Schiff erreichen.
Nach den
Menschenmassen am Tag wirkte die Stadt in der Dunkelheit wie ausgestorben.
Niemand war auf der Straße zu sehen und das einzige Geräusch, das die Nacht
erfüllte, war das Echo unserer Schritte, das von den Häuserfronten
zurückgeworfen wurde. Nur noch etwa dreihundert Fuß trennten uns von der
Kaimauer. Nun war es nicht mehr weit bis zum rettenden Schiff.
Ein Silberstreif
der Zuversicht ging an meinem Horizont auf, dann zerriss ein ohrenbetäubender
Knall die nächtliche Stille.
Ferrier warf sich
instinktiv zu Boden und riss mich ebenfalls hinunter auf das Steinpflaster.
»Versteckt Euch!«,
forderte er mich leise auf.
Ich tat, was er mir
befahl, und suchte Schutz in den Schatten zwischen zwei Häusern. Die Kälte der
Angst kroch durch meine Adern und lähmte
mich, während ich bestürzt das Schauspiel beobachtete, das sich ein Stück von
mir entfernt zutrug.
Eine groß
gewachsene massige Gestalt wankte auf die Mitte der Straße zu.
Trotz der
Dunkelheit ahnte ich bereits, wer diese Ge-stalt war. Endgültige Gewissheit gab
mir Ferriers Schreckensschrei.
»Fynn!«, schrie er.
In seiner Stimme vereinigten sich Fassungslosigkeit, Entsetzen und blinde Wut.
O’Maleys
helles Haar und sein weißes Hemd leuchteten gespenstisch weiß im fahlen,
nächtlichen Licht. Langsam, als hinge er an unsichtbaren Fäden, sank der Ire
auf die Knie. Eine Hand hielt er flach auf seine linke Seite gepresst, die
andere streckte er mühevoll nach oben und gab Ferrier ein abwehrendes Zeichen.
Doch Ferrier schenkte O’Maleys Warnung keine Achtung. Blindlings rannte er
seinem Freund entgegen.