Gestern hatten wir
Halbzeit in der Eröffnungswoche der Fanpage. Für mich stand der gestrige Tag ganz in
der Vorbereitung für meine heutige Lesung, die, wie ihr bestimmt wisst, auch
meine Lesungs-Premiere ist. Ich möchte mich ganz herzlich bei euch für die
vielen guten Wünsche bedanken, die ihr mir geschickt habt,
dafür gibt es jetzt das 4. Literarische Betthupferle zum Wachwerden. Viel Spaß beim Schmökern.
Auszug aus dem
Buch:
Ich hob Ferriers
Hemd vom Boden auf. O’Maleys Blut hatte auf dem hellen Stoff einen hässlichen
rotbraunen Fleck hinterlassen. Ich legte es über meinen Arm und setzte mich an
das andere Ende der Bank.
Ferriers Haar war
dunkelbraun. In großen Locken fiel es auf
seine Schultern. Er besaß ebenmäßige Gesichtszüge und, wie mir auffiel, für
einen Mann lange dichte Wimpern. Auf Wangen, Kinn und um seinen Mund herum
zeigte sich ein akkurat gezogener, dunkler Bartschatten, der verriet, dass die
letzte Rasur schon einige Zeit zurücklag. Seine Haut war sonnengebräunt und hatte
einen satten olivbraunen Ton angenommen. Um den Hals trug er einen aufwendig
gearbeiteten Anhänger, der mit einer Reihe klarer, wasserblauer Edelsteine
besetzt war, die in der Form eines Kreuzes angeordnet waren. Mein Blick
wanderte seinen drahtigen Oberkörper hinab. Quer über seinen Bauch zog sich
eine etwa sechs Zoll lange Narbe. Das Wundmal war glatt und blass, somit musste
die Verletzung etliche Jahre zurückliegen. Während ich mein Gegenüber weiterhin erforschte, fragte ich mich
insgeheim, was damals geschehen war.
»Ihr fangt an mich
anzustarren, Madame«, bemerkte Ferrier plötzlich. Noch immer hielt er den Kopf
gesenkt und seine Lider geschlossen.
»Ich … Ich starre
Euch nicht an«, stammelte ich ertappt.
»Doch das tut Ihr.
Seit geraumer Zeit begutachtet Ihr mich
wie einen Ochsen auf dem Viehmarkt.«
»Nein, das tue ich
nicht.«
»Hört auf, mir zu
widersprechen.«
»Woher wollt Ihr das überhaupt wissen, Ihr habt geschlafen.«
Ferrier schlug die
Augen auf. Sie waren von graugrüner Farbe und so tiefgründig wie die kalten
Bergseen meiner schottischen Heimat. »So, habe ich das?«, brummte er.
»Ja«, beharrte ich.
Er lächelte
geheimnisvoll. »Ihr habt offensichtlich noch viel zu lernen, Madame.«
»Was macht Ihr überhaupt hier?« fragte ich. Um meine
Nervosität zu verbergen, faltete ich sein Hemd zusammen.
Er stand auf,
streifte die Decke von seinen Schultern und warf sie achtlos auf das
Samtpolster. »Ich habe mich ein wenig ausgeruht. Ich hoffe, meine Anwesenheit
stört Euch nicht.«
»Nein.« Ich legte
das Hemd beiseite und zupfte meine Hose in Form. »Und danke für die Kleidung.«
Er musterte mich
von Kopf bis Fuß. »Zugegeben, sie ist nicht sonderlich schön, aber zweckmäßig.
Ihr werdet Euch daran gewöhnen.«
»Habt Ihr mir die Sachen hingelegt und die Vorhänge
geschlossen?«
Ferrier verschwand
in der Schlafnische. »Ja. Und ich war es auch, der Euch heute Nacht zugedeckt
hat«, rief er.
Ich lief ihm
hinterher. »Ihr habt was getan?«, fragte ich entsetzt.
Er stand vor der Spiegelkommode
und hielt ein aufgeklapptes Rasiermesser in der Hand. »Ich habe Eure Blöße bedeckt.«
»Warum?«
»Weil die Decke
verrutscht war und Eure Haut Anzeichen eines leichten Fröstelns zeigte.« Er drehte sich zu mir um und lächelte breit.
»Schämt Ihr Euch nicht?«
»Nein. Und wenn es
Euch tröstet, ich habe nichts Beschämendes getan und Ihr habt keinen
beschämenden Anblick geboten«, sagte er, während er die Klinge über einen
Lederriemen zog, um sie zu schärfen.
Ich atmete
geräuschvoll aus, derweil ich nach den passenden Worten für meinen nächsten
Satz suchte. »Nun gut, dann habt Ihr Euch
sicher ein umfangreiches Bild von meinem Rücken gemacht.«
»Mitnichten,
Madame, denn Ihr habt auf diesem Teil Eures
Körpers gelegen«, antwortete er gelassen und begann seine Rasur.
Mir war plötzlich ganz
heiß und ich fühlte, wie ich bei der Vorstellung errötete, was ich alles
Ferriers Blicken preisgegeben hatte. Ich war kaum noch imstand ihn anzusehen.
»Und wo ist mein Kleid?«, stieß ich zaghaft hervor.
»Wohl verwahrt, Madame. Ihr bekommt es wieder, sobald Ihr mein Schiff verlasst.«