Die Eröffnungswoche
neigt sich langsam dem Ende. Das Lächeln des Falken hat in den letzten Tagen
wieder etliche neue Freunde gefunden. Das gibt mir als Autorin ein wunderbares
Gefühl, denn der Zuspruch zeigt mir, dass meine Arbeit Anklang und mein Roman stetig
neue Leser findet. Ich bedanke mich ganz herzlich bei den lieben Menschen, die
mich so unermüdlich unterstützen.
So, genug geredet,
jetzt kommt das zweite literarische Betthupferle pünktlich zur Tasse Kaffee zum Wachwerden. Auch
dieser Text ist nicht mehr in der XXL-Leseprobe enthalten. Viel Spaß
Auszug aus dem
Buch:
Jaque nahm die Füße
vom Tisch, stand auf und umklammerte mit seiner unverletzten Hand das Glas, als
böte es ihm Halt. Er steuerte auf uns zu. Sein Interesse galt weder mir noch
Branniggan, sondern ausschließlich unserem Begleiter. Wenige Schritte vor Hunter blieb er stehen. Wenn es für den Begriff
Misstrauen bis dahin noch kein passendes
Wort gegeben hätte, so hätte es ab jener Sekunde Jaque gelautet. Ihm war
anzusehen, dass er gegenwärtig schlichtweg alles anzweifelte, was ihn umgab. Er
hob das Glas, trank einen kleinen Schluck
und verzog angewidert das Gesicht. Ob es am Geschmack des Rums lag oder an der
Situation, verschloss sich meiner Kenntnis.
»Zieh dein Hemd aus
und zeig mir deinen Rücken«, knurrte Jaque mit gefährlich leiser Stimme. »Ich
will mit eigenen Augen sehen, ob du es wirklich bist.«
»Ich habe mein Hemd
bereits für die Schiffsärztin ausgezogen, mon capitaine.«
Jaque lächelte böse und musterte sein Gegenüber mit einem abfälligen Blick. Seine
Augen glänzten glasig im Schein der Petroleumlampe; offensichtlich war das
nicht sein erstes Glas Zuckerrohrschnaps. »Dann wirst du es jetzt noch einmal
für mich ausziehen, William Hunter. Hast
du das verstanden?«
Hunter presste die
Zähne aufeinander. Er wich einen widerwilligen Schritt zurück. Sekunden
vergingen, in denen er Jaque nur regungslos ansah, bevor er wortlos sein Hemd
abstreifte. O´Maley trat hinter Jaque, um dem Schauspiel aus nächster Nähe
beizuwohnen.
»Eigentlich sollte
ich dir nicht schutzlos den Rücken zudrehen«, entgegnete Hunter ruhig.
»Na los, mach
schon. Dreh dich um«, befahl Jaque.
Hunter leistete der
Aufforderung Gehorsam. Nach außen hin wirkte er beherrscht, doch ein leichtes Zucken seines Brustmuskels verriet seine
Angespanntheit. Bitte …«, sagte er, während er sich zu voller Größe
aufrichtete. Die beiden Männer waren annähernd gleich groß. »… überzeug dich
selbst, ob du damals hart genug zugeschlagen hast.«
Jaque antwortete
nicht. Er betrachtete nur eingehend die Narben auf Hunters Rücken.
»Zieh dich an«,
befahl er Hunter schließlich. »Und sag mir, was du von mir erwartest.«
Hunter streifte das
Hemd über den Kopf. »Ich bitte dich nur um das, um was dich jeder Seemann in
einer Notsituation bitten würde. Um eine anständige Behandlung, bis wir den
nächsten Hafen erreichen. Im Gegenzug biete ich dir meine Dienste an.«
»Wenn das stimmt,
was meine Crew erzählt, bist du freiwillig ins Wasser gesprungen und zur Rapace
herübergeschwommen, anstatt dein Schiff zu verteidigen. Das nennt man
desertieren, Bill. Darauf steht die Todesstrafe.«
Hunter wich einen
weiteren Schritt rückwärts. »Die Alliance war zu diesem Zeitpunkt
bereits schon schwer getroffen, falls das deiner Crew entgangen sein sollte.
Außerdem bin ich nicht freiwillig über Bord gegangen«, brachte er zu seiner
Verteidigung hervor.
Jaque blieb
weiterhin stumm, seine einzige Reaktion bestand darin, zweiflerisch eine
Augenbraue zu heben.
»Wie sieht dein
Plan aus?«, fragte Hunter. »Willst du mich dem nächsten britischen Schiff übergeben, das
unseren Weg kreuzt? Mit einer Hochverräterin an Bord, auf die ein Kopfgeld von
mehreren hundert Pfund Sterling ausgesetzt ist? Nein, Jaque, ein derartiges
Risiko gehst du nicht ein. Du lieferst mich nicht aus.«
Jaque führte sein
Glas an die Lippen, doch er trank nicht,
sondern setzte es wieder ab. »Du hast vollkommen recht, Bill. Ich habe nicht
vor, dich auszuliefern, aber ich bin auch nicht verpflichtet, dir Zuflucht zu
gewähren. Hast du schon vergessen, was damals geschehen ist?«, sinnierte er.
Hunter rang sich
ein bitteres Lächeln ab. »Jaques Ferrier. In all den Jahren hast du dich kein
Bisschen verändert. Du siehst die Dinge immer noch genau so, wie du sie sehen
willst.«
Jaque ließ die
braune Flüssigkeit elegant im Glas kreisen, bevor er daran nippte. »Nein,
Bill«, bemerkte er kühl. »Ich nenne die Dinge lediglich beim Namen und
was dich betrifft, so rät mir mein Verstand,
dir gegenüber vorsichtig zu sein.«
»Du denkst, ich
will mich an dir rächen, oder warum lässt du mich sonst wie einen Dieb
einsperren.«
»Erstens, weil du
ein Dieb bist und zweitens, wenn dir der Sinn nach Rache steht, tu dir keinen Zwang an.« Jaque riss das Messer aus seinem
Gürtel. Mit einem gezielten Wurf blieb es wenige Fingerbreit vor Hunter wippend
in den Planken stecken.
Hunter bückte sich
voller Bedacht nach der Waffe, während ich aus dem Augenwinkel beobachtete, wie
O’Maley den Griff seiner Pistole umfasste. Auch Branniggan ging in
Habachtstellung, indem er die Hand an sein Messer legte.
Die Spannung
zwischen den Männern lag greifbar in der Luft. Ich hielt den Atem an und betete
darum, dass in dieser Situation niemand vorschnell reagierte. Hunter blieb
glücklicherweise gelassen. Er ließ sich von dem Geschehen
um ihn herum nicht beirren. Behutsam zog er das Messer aus dem Holzboden, dann
drehte er es herum, sodass die Klingenspitze in seiner Hand lag. Er streckte es
mit dem Griff voran Jaque entgegen. »Ich brauche keine Waffe, Jaque, denn ich
habe nicht vor, mich an dir zu rächen. Aber es wäre schön, wenn du mir zuhören
würdest. Ich weiß nicht, warum das Schicksal ausgerechnet uns beide noch einmal
zusammengeführt hat. Vielleicht war es Fügung, und bevor du mit mir anstellen
kannst, was dir beliebt, möchte ich ein paar Worte an dich richten.«
Jaque gab einen
unwilligen Laut von sich. Ich kannte ihn gut genug, um zu sehen, dass ihm das
Gespräch widerstand, trotzdem nickte er und sagte: »Rede, Bill. Ich bin
gespannt.«
Hunters Blick glitt
noch einmal durch die Runde, bevor er sprach. »Ich habe dich damals nicht
bestohlen, dazu war ich viel zu stolz, Teil dieser Mannschaft zu sein. Das ist
die Wahrheit, Jaque, und wenn du es verlangst, schwöre ich auch einen Eid
darauf bei meinem Leben.«
»War das alles?«
Hunter nickte.
Jaque strich eine
dunkle Locke aus der Stirn. »Branniggan,
bring ihn zurück in seine Zelle.«
Der Bootsmann nahm
Hunters Arm und führte ihn zur Tür. Im Türrahmen drehte sich Hunter noch einmal
zu Jaque um. »Übrigens, Captain«, sagte er, »hast du dich schon mal gefragt,
wie Thornton so einen perfekten Hinterhalt vorbereiten konnte? Ich sag es dir
gern, wenn du es wissen möchtest.«
»Raus!«, bellte
Jaque.
»Jaque, du hast mir
versprochen …«, protestierte ich, als ich die beiden außer Hörweite vermutete.
»Meine Liebe, ich
habe dir nichts versprochen. Und du wirst mir, dem Captain, hoffentlich
gestatten, dass ich mich mit meinem Steuermann und meinem Bootsmann bespreche,
bevor ich eine endgültige Entscheidung über die Bedingungen von Hunters
Aufenthalt auf der Rapace treffe.«
»Oui, mon capitaine«, gab ich kleinlaut bei.