Auszug aus Kapitel 1
Glensemais, Massachusetts, 29. September 1722
Glensemais, Massachusetts, 29. September 1722
Ein
Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus, als ich Padraig zwischen den
Bäumen entdeckte. Ich hatte schon eine halbe Ewigkeit auf ihn gewartet und tief
in meinem Innern erste Zweifel gehegt, ob er überhaupt noch kommen würde. Doch
nun war er endlich da, und meine Anspannung schlug in Vorfreude um.
Nahezu
lautlos pirschte er durch das sonnendurchflutete Unterholz zu unserem Versteck,
einer kleinen, von Brombeer- und Heidelbeersträuchern umgebenen Lichtung mitten
im Wald. Auch Padraig hatte mich bemerkt. Er winkte kurz, bevor er zu einem
beherzten Sprung über einen Baumstamm ansetzte, der ihm den Weg versperrte.
Ich
stellte den Korb mit Hagebutten und Brombeerblättern beiseite und rannte ihm freudestrahlend entgegen. Und Padraig
breitete die Arme aus, um mich aufzufangen.
»Ich
hatte schon befürchtet, du hast mich vergessen«, rügte ich ihn mit gespielter Strenge.
Padraig
setzte mich behutsam ab, so, als könnte mich eine unachtsame Bewegung
zerbrechen. Sein rotblondes Haar flatterte in der warmen Brise, die um die
herbstbelaubten Bäume strich. Eine Weile lang schaute er mich nur zärtlich an,
dann schüttelte er den Kopf.
»Nein,
Liebes, da täuschst du dich. Ganz gleich, was auch geschieht, ich könnte dich
niemals vergessen ...«
Seine
Liebeserklärung machte mich verlegen, denn sie kam unerwartet und entsprach so
gar nicht Padraigs eher unromantisch
veranlagten Naturell. Ich spürte, wie meine Wangen heiß und damit
höchstwahrscheinlich auch rot wurden.
»Warum
kommst du so spät?«, fragte ich, ein bisschen aus Neugier, weil er sich verspätet
hatte, hauptsächlich jedoch, weil mich sein unverblümtes Liebesgeständnis
ziemlich überrascht hatte, und ich von dem Thema ablenken wollte.
»Wir
waren auf dem Feld. Viel länger hätten wir mit dem Pflügen auch nicht mehr
warten können.« Padraig blickte in den wolkenlosen, blauen Herbsthimmel hinauf.
»Noch ist es warm, aber in wenigen Tagen kann es schon den ersten Frost geben,
und dann wird es immer schwieriger, den Boden zu bearbeiten.«
Ich
nickte zustimmend, denn wir hatten auch bereits unsere Felder für den Winter
vorbereitet.
Padraig
nahm meine Hände. Er führte sie an seine Lippen und küsste sanft meine
Handrücken.
»Jetzt
sind es nicht einmal mehr vier Wochen, bis zu unserer Hochzeit«, sagte er
nachdenklich. »Hast du dich schon mal gefragt, wie unser Leben danach
weitergeht?«
Ich
streichelte zärtlich über Padraigs unrasierte mit Bartstoppeln besetzte Wange.
»Sehr
oft, mein Lieber«, erwiderte ich leise. »Aber wie soll es schon werden? Ich
werde zu dir und deinem bärbeißigen Vater ziehen, den Haushalt führen, und dir
auf dem Feld und bei den Tieren helfen und …«
»…
und was?«
»Und
eines Tages unsere Kinder zur Welt bringen, die wir gemeinsam großziehen werden«,
erwiderte ich lachend.
»Macht
dich diese Vorstellung glücklich? Ich meine, willst du wirklich die nächsten
Jahre mit meinem mürrischen Vater unter einem Dach wohnen?«, fragte Padraig ernst.
Ich
schaute ihn fragend an, denn gerade hatte mich sein Verhalten innerhalb
kürzester Zeit zum zweiten Mal überrascht. Was wollte er mit seiner Frage
bezwecken? Schließlich war es das Normalste der Welt, dass die Frau nach der
Hochzeit zum Ehemann zog und, dass Padraigs Vater auch dort lebte, ließ sich
nicht ändern. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass er ein mürrischer Kerl war,
dem man es fast nie rechtmachen konnte.
»Hast du vielleicht einen besseren
Plan?«, erkundigte ich mich irritiert.
Padraigs
Grinsen wurde so breit wie der Kennebec River nach der Schneeschmelze im
Frühjahr.
»Und ob«, sagte er mit einem
verschwörerischen Unterton, während er an seinem Hemd zu nesteln begann.
Sekunden später zog er eine Lederrolle aus seinem Brustschlitz hervor.
»Hier.«
Er drückte mir die Rolle in die Hand.
»Was
ist das?«, fragte ich neugierig.
»Mach
es auf. Sieh selbst.«
Mit
fiebrigen Fingern öffnete ich das Bändchen, das die Rolle geschlossen hielt und
wickelte in einem feierlichen Akt das Leder ab. Ungläubig bestaunte ich das
Dokument, das unter dem Einband zum Vorschein kam.
»Das
… das ist eine Besitzurkunde«, murmelte ich überrascht. »Und unsere Namen
stehen darauf … Padraig, heißt das …«
Offensichtlich
war ich Padraig im Moment viel zu begriffsstutzig. Er nahm mir die Urkunde samt
Ledereinband wieder ab.
»Ja, Gwen, genau das heißt es«,
erklärte er mit vor Aufregung heiserer Stimme. »Ich habe für uns Land gekauft.
Wir werden unsere eigene kleine Farm besitzen. Ein Zuhause nur für uns …«Ende des 1. Textspickerle. Wenn es euch gefallen hat, dann freut euch auf mehr.