Mittwoch, 21. Januar 2015

3. Textspickerle zum Spin-Off DUNKLE HERZEN

Hallo meine Lieben,

bevor morgen die Testlese-Exemplare ausgeliefert werden, gibt es heute noch ein drittes Textspickerle aus Kapitel 6. Ich wünsche euch viel Spaß.


Glensemais, Massachusetts, 30. September 1722 in den frühen Morgenstunden

Kaltes Metall, das hart gegen meine Schläfe drückte, weckte mich aus dem Schlaf. Langsam und ein wenig zitternd bewegte es sich über meine Haut, und ich hörte jemanden in meiner unmittelbaren Nähe atmen.
Ein letzter Rest Schläfrigkeit betäubte noch meinen Verstand, und so fiel es mir schwer, die Wirklichkeit von meinem Traum zu trennen. Ich hatte von der Begegnung mit Prestons Männern im Wald geträumt, in meinem Traum waren Padraig und ich jedoch entdeckt worden und ...
Der kalte Gegenstand befremdete mich. Ich wusste nicht, was da vor sich ging, doch ich wagte auch nicht, die Augen zu öffnen. Starr lauschte ich in die Dunkelheit. In meiner unmittelbaren Nähe hörte ich kein anderes Geräusch außer einem gleichmäßigen Atmen. Langsam beschlich mich das Gefühl von Angst. Nachts ist es oft ruhig, versuchte ich, mich selbst zu beschwichtigen. Ja, es war ruhig, aber nicht gespenstisch still, als sei alles um mich herum ausgestorben. Irgendetwas stimmte nicht.
Das Metall wurde von meiner Schläfe genommen. Es folgte ein klackendes Geräusch, das sich wie … Gütiger Himmel! Es hörte sich wie das Spannen eines Pistolenhahns an. Eine Waffe! Jemand richtete eine Waffe auf mich! Nackte Panik erfasste mich, als mir bewusst wurde, dass ich das Geschehen in meinem Zimmer nicht länger ignorieren konnte.
Ich schlug die Augen auf, während mein Oberkörper in die Senkrechte schnellte. Eine Petroleumlampe wurde mir vor das Gesicht gehalten, blendete mich und tauchte meine Umgebung in gleißendes Gelb und schattenhaftes Schwarz. Alles Weitere geschah im Bruchteil von Sekunden. Meine Arme wurden grob auf meinem Rücken gerissen. Gleichzeitig wurde mir eine feuchte, schwielige Hand auf den Mund fest gepresst, die jeden Laut aus meiner Kehle erstickte.
Sie waren mindestens zu dritt. Einer hielt die Lampe und zwei weitere packten mich an den Armen, von denen mir einer den Mund zuhielt. Sie zerrten mich unsanft aus meinem Bett und stellten mich auf die Beine. Sekunden später spürte ich auch schon, wie sich die Kälte im Zimmer gleich einem eisigen Strom von meinen nackten Zehen aufwärts in meinem gesamten Körper ausbreitete.
Allmählich schälten sich menschliche Umrisse aus dem diffusen Licht. Etwa fünf Schritte vor mir entfernt stand Preston mit der Lampe in der Hand. Der säbelbeinige Chapman und der Riese Fowler hielten mich fest. Ein widerwärtiges Grinsen umspielte Prestons Mundwinkel.
»Ich hoffe, Ihr habt angenehm geträumt, Miss McDonnell?«, spottete er leise.
Argwöhnisch starrte ich Preston an. Ich fühlte mich wie gelähmt, denn durch den eisernen Griff meiner Bewacher war ich außerstande, mich in irgendeiner Form zur Wehr zu setzen. Ohne wirklich zu begreifen, was geschah, war ein stoisches Nicken die einzige Reaktion, die ich zustande brachte. Mein Blick wanderte panisch durch die Kammer, in der Hoffnung darauf, dass ich Antworten auf die Fragen fand, die mein Verstand mir stellte. Im Moment wünschte ich mir nichts sehnlicher, als aus dieser albtraumhaften Situation zu erwachen und wieder in die heile Welt zurückzukehren, die ich mit dem Einschlafen verlassen hatte.
»Ja, Miss, seht Euch nur noch einmal in aller Ruhe um. Nehmt die Erinnerung mit, die Euch mit diesem Ort verbindet, denn ich versichere Euch, Ihr werdet nie wieder hierher zurückkehren.«
Da ich nicht wahrhaben wollte, was mir dieser Mistkerl gerade prophezeite, schüttelte ich trotzig den Kopf. Ich versuchte zu antworten, doch die Hand auf meinem Mund machte das Sprechen unmöglich.
Preston streifte mich mit einem leidenschaftslosen Blick.
»Ihr solltet Euch warme Kleidung anziehen. Bloß mit einem Nachthemd am Leib werdet Ihr den Weg nach Fort George kaum überleben. Was ich im Übrigen bedauern würde«, bemerkte er anzüglich.
Fort George? Was zum Teufel hatte das zu bedeuten? Ich fand zwar immer noch keine Erklärung für die gegenwärtigen Ereignisse, aber zumindest war ich mir zwischenzeitlich sicher, dass ich aus diesem Albtraum nicht mehr erwachen würde, da ich bereits hellwach war.
Ein Gedanke packte mich: Preston wollte, dass ich mir etwas anzog – falls ich das Glück haben sollte, dass sie mich in der Kammer alleine ließen, konnte ich aus dem Fenster klettern. Und wenn mir die Flucht gelang, konnte ich Hilfe holen und … Mir blieb nichts anderes übrig, als alles auf eine Karte zu setzen.
Ich atmete noch einmal tief durch, um meine Kräfte zu sammeln, danach deutete ich mit dem Kopf zuerst auf die Kleidertruhe, dann auf meine Bewacher.
Preston machte eine verständnisvolle Geste. »Aber natürlich, Miss. Ich verstehe, es ist Euch unangenehm, Euch in der Gegenwart fremder Männer auszuziehen.«
Ich nickte hastig und betete, dass mein Plan aufging. Wobei sich mir die nächsten Fragen auftaten: Was war mit meiner Familie, mit meinem Vater, Willeam, Colum? Und Macey und Eibhlin? Wo waren sie? Und was hatte Preston, dieser Bastard, ihnen angetan? Ich riss mich zusammen, um die Flut an Fragen und Ängsten in meinem Kopf zu stoppen. Wenn ich entkommen wollte, benötigte ich einen klaren Verstand. Das hier war vielleicht die einzige Chance, um auch den anderen zu helfen.
»Und Ihr gebt mir Euer Wort, dass Ihr nicht schreit, wenn ich meine Leute aus dem Zimmer schicke?«, fragte er.
Ich nickte abermals, diesmal langsamer und besonnener. Im Moment konnte ich ohnehin nichts weiter tun, als in Prestons Spielregeln einzuwilligen.
»Solltet Ihr Euer Versprechen brechen, Miss McDonnell …«, Preston trat bis auf zwei Schritte an mich heran und richtete den Pistolenlauf auf meinen Brustkorb, »… werde ich nicht zögern und auf Euch schießen. Ihr es wisst sicher selbst, aus dieser kurzen Distanz wäre das in jedem Fall für Euch tödlich. Ihr würdet lediglich – je nachdem wo Euch die Kugel trifft – schnell und schmerzlos oder langsam und qualvoll sterben. Ich persönlich würde Letzteres vorziehen, falls Ihr die Regeln missachtet. Haben wir uns verstanden, Miss McDonnell?«
Ich nickte ein drittes Mal, während ich den Blick senkte und dabei versuchte, die schrecklichen Bilder beiseitezuschieben, die sich gerade vor meinem geistigen Auge zusammensetzten.
Preston gab seinen Leuten ein Zeichen, den Raum zu verlassen. Fowler und Chapman befolgten den Befehl ohne Zögern. Insgeheim hatte ich gehofft, dass auch Preston verschwinden würde, doch diesen Gefallen tat er mir nicht. Anstatt sich wie die anderen zu entfernen, ging er zu der Kleidertruhe, die neben der Tür stand.
»Ihr hattet gehofft, dass ich ebenfalls die Kammer verlasse«, stellte er mit einem süffisanten Unterton fest.
»Ja«, erwiderte ich niedergeschlagen, denn mein hoffnungsvoller Plan war so eben wie Schnee in der Frühlingssonne zerronnen.
»Leider, leider, Miss McDonnell, muss ich Euch enttäuschen. Ich werde bleiben, denn ich möchte sicherstellen, dass Ihr keine Dummheiten macht«, antwortete er kalt lächelnd und hob den Deckel an, um in die Truhe zu greifen. »Und nun zieht Euch an. Ich bin mir sicher, die anderen warten bereits.« Er warf mir das Kleid entgegen, das obenauf lag.
Als ich es auffing, hatte ich Mühe, die meine Tränen niederzukämpfen. Wie grausam das Schicksal war: Ich hielt mein Brautkleid in Händen.
Ich drehte mich von Preston weg. Es genügte mir vollkommen, dass ich seinen Blick in meinem Rücken spürte, ich brauchte nicht auch noch der Lüsternheit in seinen Augen zu begegnen. Hastig zog ich mein Nachthemd aus und streifte das cremeweiße Kleid über. Mein Vater hatte monatelang gespart, um das Geld für den feinen indischen Baumwollstoff zusammenzubekommen. Und Eibhlin hatte all ihre Näh- und Stickkünste aufgewendet, damit daraus ein wunderschönes Prunkstück für einen besonderen Anlass wurde. Mein Herz krampfte sich plötzlich schmerzhaft zusammen und Tränen liefen über meine Wangen, während sich Preston hinter mich stellte und mir half, die Haken im Rücken zu schließen.
Ein heftiges Schluchzen brachte meinen Körper zum Zittern. Noch immer konnte ich nicht begreifen, was sich abspielte. Was um alles in der Welt hatte dieser Mistkerl mit uns vor? Er nahm mich an der Schulter und drehte mich um, sodass ich ihm ins Gesicht sehen musste.

»Da habe ich doch hoffentlich nicht Euer bestes Kleid herausgesucht?«, sagte er mit dem verlogensten Lächeln, das ich je bei einem Menschen gesehen hatte. »Ist das etwa Euer Brautkleid?«